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Forschung für die Energiewende

Die deutsche Forschung im Bereich Energie bzw. Energieeffizienz ist maßgeblich geprägt durch die Energiewende. Laut EU-Vorgaben soll der Ausstoß von Kohlendioxid bis zum Jahr 2050 um mindestens 80 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 sinken. Um dieses ehrgeizig Ziel zu erreichen, muss Energie eingespart und der Anteil erneuerbarer Energien erhöht werden. Diese beiden Felder stehen deshalb im Fokus des 6. Energieforschungsprogramms der Bundesregierung, mit dem Ziel einer umweltschonenden, zuverlässigen und bezahlbaren Energieversorgung.

Schwerpunkt erneuerbare Energien

Von den 863 Millionen Euro, die der Bund 2015 in die Energieforschung investiert hat, floss mehr als ein Drittel in die erneuerbaren Energien. Hauptnutznießer waren die Photovoltaik (Stromerzeugung mit Sonnenlicht) und die Windenergie. Bei der Photovoltaik konzentrieren sich die Forschungsvorhaben vor allem darauf, den Wirkungsgrad der Energieumwandlung, d.h. den Anteil des Lichts, der zur Strom wird zu erhöhen. Mit bis zu 25 Prozent sind deutsche Versuchsanlagen darin heute weltspitze. Gleichzeitig sollen die Lebensdauer verbessert und die Herstellungskosten der immer noch recht teuren Siliziumplatten gesenkt werden.

Windkraft ist zurzeit die kostengünstigste erneuerbare Energie und gilt, zumindest an Land, als technologisch ausgereift. Durch die Entwicklung innovativer Materialien lassen sich immer größere Anlagen mit einer hohen Lebensdauer bauen. Auch hier ist eine weitere Kostensenkung wichtiges Forschungsziel. Zunehmend werden aber auch Umweltaspekte und die Erforschung ökologischer Auswirkungen gefördert.

Bei der Erforschung der Bioenergie geht es darum, bestehende Verfahren, wie die Biogaserzeugung weiter zu optimieren und neue Ansätze wie z. B. die Herstellung von Biotreibstoff aus Algenkulturen zu testen. Weitere Forschungsthemen sind die Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie, die Solarthermie (Gewinnung von Wärme aus Sonnenlicht) und die sogenannte „tiefe Geothermie“, also die Nutzung von Wärme aus tiefen Erdschichten mit Hilfe von Bohrungen. Von untergeordneter Bedeutung ist die Erforschung der Wasserkraft und Meeresenergie.

Neben den erneuerbaren Energien fördert der Bund mit durchschnittlich 30 Millionen Euro jährlich die Weiterentwicklung konventioneller Kraftwerkstechnik. Moderne Anlagen für fossile Brennstoffe müssen darauf optimiert werden, in kurzer Zeit verfügbar und auch bei längeren Stillstandzeiten wirtschaftlich tragbar zu sein. Nach wie vor ist die Entwicklung von Fusionsreaktoren, welche die Kernschmelze auf der Sonne zum Vorbild haben, fester Bestandteil der Energieforschung. Und nicht zuletzt gibt der Bund etwa 25 Millionen Euro jährlich für die Erforschung der Reaktorsicherheit aus, der beim Abbau der alten Kernkraftwerke und der Lagerung des Atommülls eine zentrale Bedeutung zukommt.

Energie effizient verteilen und nutzen

Bei der effizienten Energienutzung kommt es einerseits darauf an, Energie zu sparen. Andererseits muss vorhandene Energie gespeichert und sinnvoll verteilt werden. Für die Erforschung dieser beiden komplexen und sich gegenseitig beeinflussenden Felder stehen jährlich etwa 250 Millionen Euro zur Verfügung.

Im ersten Fall konzentriert sich die Forschung auf Einsparmöglichkeiten in privaten Haushalten sowie in Industrie, Gewerbe und Dienstleistungen. Mit technologischem Fortschritt im Heizungsbau und bei der Gebäudedämmung mit luftdichten Fenstern und Türen sowie computergesteuerter Belüftung konnte den Wärmeverlust bei Neubauten drastisch gesenkt werden. Beim Beheizen von Altbauten könnten mit innovativen Ansätzen, wie z. B. Infrarotheizungen, die ein angenehmes Wärmegefühl bei niedrigerer Raumtemperatur erzeugen, Fortschritte erzielt werden. Bei der Raumbeleuchtung ersetzen Sparlampen und Leuchtdioden (LED) die herkömmlichen Glühbirnen.

Bei der Energiespeicherung kommt es darauf an, Versorgungslücken in Zeiten hohen Verbrauchs und Überschüsse, die z. B. nachts entstehen, auszugleichen. Energiespeicher können direkt Wärme aufnehmen oder elektrischen Strom in Batterien speichern. Auch die Erzeugung von Wasserstoff und sein Einsatz in Fahrzeugen und Kraftwerken zählt dazu. Die technische Reife der Speicher ist teilweise noch gering und weitere Forschung nötig. Das gilt auch für die Stromnetze, die durch die Einspeisung aus regenerativen Quellen vor völlig neue Herausforderungen gestellt werden. Deshalb wurden die Forschungsmittel dafür von 2012 bis 2015 in etwa verdreifacht.

So viel Geld für Forschung wie nie zuvor

Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung in Deutschland haben einen neuen Höchststand erreicht. Nach Angaben des Ministeriums für Bildung und Forschung belaufen sich die Zahlen für das Jahr 2014 – der jüngste Berechnungszeitraum – auf knapp 84 Milliarden Euro. Das entspricht einer Steigerung um mehr als fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr. Etwa zwei Drittel des Geldes wurde von der Privatwirtschaft investiert, der Rest entfällt auf staatlich finanzierte Forschungsprojekte. Damit steht Deutschland gemessen an den absoluten Ausgaben weltweit auf Platz vier hinter den USA, China und Japan. Bei der Betrachtung der relativen Investitionen für Forschung und Entwicklung belegt Deutschland mit rund drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts den neunten Platz. Spitzenreiter hier sind Südkorea, Israel und Japan und in Europa die skandinavischen Länder.

Die Zahl der Beschäftigten, die in diesem Bereich tätig sind, ist ebenfalls gestiegen und liegt zum ersten Mal bei mehr als 600.000. Während weltweit auf eintausend Menschen etwa eine Forscherin oder ein Forschen kommen, ist es in Deutschland mehr als das Vierfache. Das ist Platz 14 im globalen Vergleich.

Auch bei den Ergebnissen Spitze

Nicht nur bei den Ausgaben, auch in der Qualität kann sich Forschung und Entwicklung „Made in Germany“ sehen lassen. So ist der deutsche Anteil an wissenschaftlichen Publikationen, die zu den weltweit zehn Prozent der am meisten zitierten Arbeiten zählen, in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen und lag in 2012 bei knapp 16 Prozent. In der Fachwelt gilt die Häufigkeit, mit der Wissenschaftler in anderen Arbeiten zitiert werden als Maßstab für deren Erfolg. Nur Forscher aus den USA konnten besser abschneiden. Bei weltmarktrelevanten Patenten ist Deutschland ebenso spitze. Auf eine Million Einwohner kommen im Jahr etwa 370 Anmeldungen solcher Patente. Das ist genauso viel wie in Japan und immerhin fast doppelt so viel wie in den USA.

Der Ideenreichtum deutscher Ingenieure und Wissenschaftler spiegelt sich im Export forschungsintensiver Güter wider: Während die meisten Industrieländer in den vergangenen zehn Jahren zu Gunsten der Schwellenländer an Boden verloren haben, konnte Deutschland seinen Anteil stabil halten. Zwar musste es die Führungsposition an China abtreten, liegt aber nunmehr vor den USA und deutlich vor Japan. Im Vergleich der Innovationskraft belegt Deutschland laut dem Global Competitiveness Index (GCI) des Weltwirtschaftsforums, der die Wettbewerbsfähigkeit von knapp 140 Ländern vergleicht, aktuell den sechsten Rang.

Staat setzt andere Prioritäten

Im vergangenen Jahr hat der Bund etwa 16 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung ausgegeben. Diese Ausgaben steigen nun zum zwölften Mal in Folge und liegen heute 70 Prozent höher als in 2006. Hinzu kommen laut Zahlen von 2013 Ausgaben der Bundesländer von über zehn Milliarden Euro. Der positive Trend zeigt, dass die Politik die hohe Bedeutung von Forschung und Innovation erkannt hat, nachdem die Ausgaben in den neunziger Jahren und zu Beginn des Jahrtausends über lange Zeit stagnierten.

Die Schwerpunkte der Förderung liegen auf den Zukunftsfeldern Gesundheit, Luft- und Raumfahrt, Digitalisierung, nachhaltiges Wirtschaften und Energie, innovative Arbeitswelt, intelligente Mobilität sowie zivile Sicherheit. Sie unterscheiden sich deutlich von dem, was in der Wirtschaft Priorität hat. Die privaten Unternehmen stemmen zwar den größeren Teil Entwicklungsanstrengungen, allerdings konzentrieren sie sich auf nur wenige Bereiche wie Fahrzeugbau, Elektrotechnik, Chemie und Maschinenbau – also die Branchen, in denen Deutschland traditionell führend ist.